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Dank dem Theater…

von Mahmoud Al Bakeet

Im Sommer 2016 lud das Schauspielhaus Graz Jugendliche aus steirischen Flüchtlingsunterkünften ein, sich an Schreib- und Theaterprojekten zu beteiligen. Mahmoud Al Bakeet erinnert sich und beschreibt, wie sehr Schreiben und Theater sein Denken und Leben verändert haben.

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Anfangs habe ich in einem Flüchtlingslager gelebt, in einem Dorf in der Steiermark. Während meiner ersten drei Monate in Österreich habe ich die Amtssprache des Landes, Deutsch, noch nicht gesprochen. Wir waren unterschiedlicher Herkunft und die Situation war geprägt von Langeweile, Frustration und Einsamkeit. Ich kannte niemanden und hatte Angst, mich unter Leute zu mischen, wegen der Sprache. Ich hatte Angst, nicht verstanden zu werden und sie nicht zu verstehen. Meine ersten fünf Monate in Österreich gingen vorüber. Danach wurde ich mit fünf Kollegen eingeladen, an einem Projekt im Schauspielhaus Graz teilzunehmen. Zuerst habe ich gezögert, doch der Betreuer drängte mich hinzugehen und es auszuprobieren. Ich war etwas hin- und hergerissen, wegen meiner Angst, mich unter Leute zu mischen. Doch am Ende habe ich eingewilligt, ohne zu wissen, worum es im Projekt genau ging.

Es kam zum ersten Treffen. Ein Treffen zum Kennenlernen und auch, um uns das Projekt zu erklären. Erst da habe ich verstanden, worum es geht. Es geht ums Schreiben. Ums Schreiben von persönlichen Geschichten. Wir sollten über Ängste und Wünsche schreiben. Ein Monat lang haben wir in diesem Projekt gearbeitet, eine Zeit, in der wir viel Spaß hatten und Theaterstücke anschauten.

Als es Zeit für die Vorstellung wurde, präsentierten wir unsere Geschichten auf wunderbare Art und Weise. Wir saßen an Tischen, lasen unsere Geschichten vor und präsentierten sie dem Publikum. Jeder von uns hatte einen eigenen Tisch und an jedem Tisch waren vier oder fünf Zuschauerinnen und Zuschauer. Sobald wir fertiggelesen hatten, tauschte das Publikum die Tische und wir begannen wieder zu lesen. Das war ein schöner Abschluss unseres Projekts und die positiven Reaktionen des Publikums freuten mich sehr.

Dieses Projekt und sein schöner Abschluss inspirierten mich und ich konnte viel Schönes mitnehmen: die Freude, die ich hatte, die Erfahrung der Kreativität beim Schreiben und Lesen, neu geschlossene Freundschaften und Bekanntschaften.

Danach wurde ich zu einem zweiten Projekt eingeladen, mit denselben Kollegen.

Anfangs hatten wir Proben, dann spielten wir die Vorstellungen. Ich spielte einige Szenen, doch sie waren alle sehr einfach. Mal fange ich einen Ball und stehe in der Mitte des Flurs, mal stehe ich nur und lese meine Geschichte vor, oder Ähnliches.

Drei Mal standen wir am Ende vor einem begeistert klatschenden Publikum. Diese Monate waren mehr als nur fantastisch.

Die Projekte, an denen ich teilgenommen habe, waren für mich eine große Chance, um ins Theater zu kommen, neue Bekanntschaften zu machen, meine Sprachkompetenzen zu stärken und meine Freizeit zu gestalten.

Deshalb habe ich bei allen Projekten teilgenommen, die im Theater angeboten wurden, und ich habe es sehr genossen.

Ganz generell gehe ich sehr gern ins Theater, ich liebe es.

Ich bin allen dankbar, die dazu beigetragen haben, mich ins Theater zu bringen.

Durch die beiden Theaterprojekte hat sich bei mir einiges geändert. Die Sprache zum Beispiel. Von den Gesprächen mit meinen Freunden im Theater habe ich profitiert und ich habe viel gelernt. Reden zu können, ohne ängstlich und schüchtern zu sein. Meine Angst, mich unter Leute zu mischen, wurde durchbrochen. Vielmehr hatte ich nun den Wunsch, mich ungehemmt mit Menschen zu unterhalten. Ich habe Freunde in Österreich gefunden, entgegen all meiner Erwartungen. Ich habe gelernt, meine Zeit sinnvoll zu nutzen, anstatt nur herumzuhängen. Ich fühle mich nicht mehr fremd oder komisch. Ich bin kein Flüchtling mehr, mit dem man nicht reden kann. Nach dieser Erfahrung haben sich meine Einstellung und mein Denken total geändert.

Der Dank, der ganze Dank gilt denen, die mich dazu gebracht haben, an diesen Projekten teilzunehmen.


Übersetzung aus dem Arabischen von Garda Elsherif.
Foto: (c) Lupi Spuma.

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